Autorin: Barbara Simonsohn
Unsere Vorfahren betrachteten Küchenkräuter nicht als leckere Gewürze, sondern als Mittel, uns gesund zu machen und zu erhalten, den „inneren Arzt“ (Paracelsus) zu stärken. Dieses
Wissen ist größtenteils verlorengegangen. Schon im alten Griechenland und Rom galten Kräuter wie Rosmarin oder Salbei als Mittel, Krankheiten vorzubeugen und sogar zu heilen. Die moderne
Wissenschaft hat jetzt die Heilwirkungen von Küchenkräutern durch zahlreiche Studien bestätigt. „Gegen jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen“, stellte der Naturkundler Sebastian Kneipp im 19.
Jahrhundert fest. Viele Küchenkräuter sind wahre Tausendsassas, was ihr Wirkspektrum betrifft. (…) Sie sind ursprüngliche Pflanzen, kaum züchterisch bearbeitet. Sie enthalten nach Fritz-Albert
Popp und Marco Bischof besonders wertvolle Lichtinformationen und damit positive Botschaften für Leib und Seele. Daher schenken sie uns neben Gesundheit auch Ordnungskraft, Vitalität und
Lebensfreude. Was könnte uns in der heutigen Zeit mehr zugutekommen?
Küchenkräuter lassen sich als Tee zubereiten, die häufigste Anwendungsform, aber auch in Teil- und Vollbäder, zum Inhalieren, als Salben und Cremes, als Wickel und Umschläge, als Tinkturen, in Essig eingelegt oder als ätherisches Öl. Alle erwähnten Anwendungen lassen sich selbst zubereiten bis auf ätherisches Öl: das Verfahren zur Gewinnung von Destillaten ist zu aufwändig. Man kann sie in Bio-Qualität in Bioläden, Reformhäusern und Apotheken bekommen und sollte dabei auf den richtigen lateinischen Namen achten.
Bärlauch, der Knoblauch der Germanen
Bärlauch Allium ursinum wächst bei uns wild, erfreut sich aber auch in Biogärten zunehmender Beliebtheit. Er ist wesentlich heilkräftiger als Knoblauch, ursprünglich aus China kommend. Die Wildform des Knoblauch ging verloren. Bärlauch gehört zu den ältesten und meist verwendeten Arznei-, Gewürz- und Gemüsepflanzen Europas. Die Germanen begrüßten sich mit „Leinen und Lauch“, „linar, laukar“ für Glück und Segen, weil sie Verletzungen mit Bärlauch heilten, den sie in Leinentücher wickelten. Einmal angepflanzt, verbreitet sich Bärlauch von allein. Die Pflanze ist ausdauernd und wird bis zu 50 Zentimeter hoch.
Wertvoll sind die Schwefelverbindungen in Bärlauch, 7,8 Gramm pro 100 Gramm Trockensubstanz im Gegensatz zu 1,7 Gramm in Knoblauch. Sulfensäuren kondensieren zu Thiosulfinaten, hochpotenten Anti-Pilz-Mitteln und Phytobiotika. Durch die Aktivierung von Entgiftungsenzymen wird die krebsfördernde Wirkung von Schimmelpilzen deaktiviert und Tumorwachstum ausgebremst. Die schwefelhaltigen Stoffe wirken tumorwachstumhemmend für Dickdarm, Speiseröhre, Magen und Lunge und entgiften die Leber. Theosulfinate verhindern die Oxidation von LDL im Blut und in den Arterien und beugen damit Arteriosklerose vor. Bärlauch enthält Adenosin, was das Herz schützt, einen zu hohen Blutdruck und zu hohe Blutfettwerte senkt. Bärlauch entgiftet Schwermetalle und weitere Schadstoffe. Außerdem wirkt Bärlauch entzündungshemmend. (…)
Lavendel, Heilkraut für innere Ruhe und noch viel mehr
Lavendel oder lateinisch Lavendula angustifolia wurde schon von den alten Ägyptern als Heilmittel und als Parfum genutzt. Seine eigentliche Karriere als Heilpflanze begann für den Lavendel mit der Klostermedizin als schmerzstillendes Mittel, als Kraut gegen Blähungen und bei schmerzhaften Monatsblutungen. Hildegard von Bingen hielt große Stücke auf Lavendel, auch, um böse Geister zu vertreiben. Der Lavendelstrauch wird bis zu 1 Meter hoch. Die blau-lila Blüten verströmen einen betörenden Duft. Der Hauptwirkstoff des Lavendelöls aus Blüten sind ätherischen Öle mit dem Hauptwirkstoff Linalylacetat. Lavendelöl hat antidepressive, angstlösende, entkrampfende und antiseptische Eigenschaften.
Lavendelöl als Präparat namens Silexan erwies sich bei Angststörungen als genauso effektiv wie die angstlösenden Mittel Paroxetin, Pregabalin und Diazepam, wie eine randomisierte, doppelverblindete Studie der Universität Würzburg aus dem Jahr 2014 ergab. Gleichzeitig verbesserten sich Begleitsymptome wie depressive Verstimmungen. Das Lavendelölpräparat Silexan erwies sich ebenfalls wirksam bei Schlafstörungen. Die Schlafqualität verbesserte sich signifikant. Studien belegen, dass Lavendel die Wundheilung fördert zum Beispiel bei Frauen, die einen Dammschnitt hatten, und die Gefahr von Entzündungen verringert. 2019 belegte eine Studie die neuroprotektive Wirkung von Lavendel. Polyphenole in Lavendel schützen das Gehirn vor dem Angriff freier Radikaler und hemmen Entzündungsprozesse im Gehirn. Ich empfehle für einen gesunden Schlaf, ein paar Tropfen ätherisches Lavendelöl aufs Kopfkissen zu träufeln.
Oregano: als Heilkraut unterschätzt
Oregano, auch Dost oder Wilder Majoran genannt, ist viel mehr als ein Pizzakraut. Oreganum vulgare kommt bei uns häufig wild vor. Der Lippenblütler wächst bis zu 50 Zentimeter hoch. Oregano sollte man ernten, wenn er blüht, dann enthält er die meisten Wirkstoffe. Im Gegensatz zu anderen Küchenkräutern wird Oregano mitgekocht.
Die Polyphenole in Oregano wirken antioxidativ und dienen zur Diabetesprophylaxe, sie wirken antiviral, krebsvorbeugend und antientzündlich. Die Gerbstoffe der Pflanze haben eine zusammenziehende Wirkung auf Haut und Schleimhäute und verhindern damit ein Eindringen von Bakterien und Giftstoffen. Innerlich und äußerlich wirkt Oregano antimykotisch gegen pathogene Pilze wie dem Genital- und Darmpilz Candida albicans sowie Fußpilz. Rosmarinsäure und weitere Polyphenole begünstigen ein Selbstmordprogramm von Krebszellen, Apoptose genannt und wirken selektiv, das heißt nicht auf gesunde Zellen. Oregano-Extrakte erwiesen sich außerdem als wirksam gegen pathogene Bakterien, und zwar auch gegen die gefürchteten MRSA-Krankenhauskeime. Der echte Majoran ist eine hervorragende Insektenweide. Weil er zahlreiche Schmetterlinge wie Bläulinge, Schwalbenschanz, Purpurbär und Schachbrettfalter anlockt, wird Oregano auch als „Mini-Schmetterlingsbaum“ bezeichnet.
Salbei, Arzneipflanze und Tausendsassa
Der Salbei oder Salvia officinalis, „Arzneipflanze des Jahres 2023“, (…) polyphenolreichste Pflanze Europas, wurde von den alten Ägyptern in Stein verewigt. Der mittelalterliche Gelehrte Albertus Magnus nannte Salbei „Ambrosia der Götter“. Im 17. Jahrhundert galt die Pflanze als „herba sacra“, heiliges Kraut, und Allheilmittel. Salbei wurde bei Schlangenbissen, Epilepsie, Diabetes, Herzleiden, Grippe, Depressionen, Rheuma, zur Wundheilung und als Lungenheilmittel verwendet. Der pflegeleichte Lippenblütler ist frosthart. Die Blüten sind eine Augen- und Insektenweide.
Mehr als 1000 Studien belegen die Heilwirkungen von Salbei. Extrakte wirken zelltoxisch selektiv auf Krebszellen. Die Metastasierung von Krebszellen wird unterbunden. Salbei vermindert die Symptome von Alzheimer-Patienten wie Unruhe. Salbeiextrakte wirken antientzündlich und stärken das Immunsystem, indem die richtige Immunantwort gefördert wird. Salbeizahnpasta wirkt gegen Karies erzeugende Bakterien und macht die Zähne weiß. Auch gegen jede Art von Viren ist Salbei wirksam, und gegen pathogene Pilze. In den Wechseljahren gleicht Salbei den Hormonspiegel aus und bremst eine übermäßige Schweißbildung.
Thymian befreit die Lunge - und auch die Seele
Schon die Alten Ägypter nutzten Thymian Thymus vulgaris wegen seiner keimtötenden Wirkung zur Einbalsamierung. Die Ärzte der Antike wie Plinius der Ältere, Hippokrates und Dioskurides setzten Thymian bei Atemwegserkrankungen ein, bei Asthma, Ödemen, Krämpfen und Menstruationsbeschwerden. Hildegard von Bingen und Albertus Magnus schätzten die Pflanze und machten sie bekannt. Der Lippenblütler stellt eine hervorragende Bienen- und Insektenweide dar.
Thymian ist ähnlich wie Oregano eine Art Wunderwaffe gegen antibiotikaresistente Bakterienstämme wie MRSA, dem gefürchteten Krankenhauskeim. Thymusöl ist wirksam bei vierzehn MRSA-Keimen. Es reduziert die Zahl der Erreger signifikant und minimiert die Gefahr einer Resistenzentwicklung. Außerdem wirkt Thymian krampflösend und schmerzlindernd zum Beispiel bei Bronchitis. Ätherisches Thymianöl wirkt vorbeugend gegen Durchfallerkrankungen. Thymian wirkt gegen Darmkrebs- und Brustkrebszellen, senkt den Glukosespiegel im Blut und senkt einen zu hohen Blutdruck. Bei Menstruationsschmerzen hilft Thymian als verdünntes ätherisches Öl – Rezeptur in meinem Buch - besser als Ibuprofen, und ganz ohne Nebenwirkungen. Meine Tochter macht während menstruationsbedingt bedingter Krämpfe sehr gute Erfahrungen mit einem starken Thymiantee. Auch bei leichten Depressionen ist Thymian wirksam.
In den Blue Zones von Sardinien, in denen besonders viele gesunde Hundertjährige leben, ist ein Tee aus Oregano Nationalgetränk, neben weiteren Kräuter-Stars wie Lavendel, Rosmarin und Salbei. Mein Vorschlag: werden Sie zu Ihrer eigenen „Blue Zone“. Betreiben Sie Gesundheitsvorsorge auf täglicher Basis mit Küchenkräutern und Wildpflanzen. Leben Sie glücklich im Einklang mit Mutter Natur. Treffen wir uns wieder im Club der fitten Hundertjährigen?
Barbara Simonsohn
„Heilsame Küchenkräuter. 10 Kräuter für Körper und Seele“
159 S., Mankau Verlag, 12 €
Siehe auch unter „Wortwelten“, S. 55.
Autorin: Jessica Maguire
Beim biopsychosozialen Ansatz geht es nicht darum, das, was in unserem Körper abläuft, zu »hacken« oder zu umgehen: Wir müssen lernen, uns darauf einzustimmen, was in unserem Gehirn-Körper-System
passiert, und uns mithilfe dieser Informationen aktiv um unsere emotionale Verfassung und unsere Physiologie kümmern. Das kann etwas ganz Einfaches sein – zum Beispiel, zu merken, dass wir Durst
haben, und dann ein Glas Wasser zu trinken, oder zu erkennen, dass unsere Arbeitssituation uns in einen Zustand ständiger Angst versetzt, und uns ehrlich einzugestehen, dass sich daran etwas
ändern muss. Dadurch können wir echte Regulation erreichen und unsere Lebensqualität, unseren Gesundheitszustand, unser emotionales Wohlbefinden und unsere zwischenmenschlichen Beziehungen
verbessern.
Und wie können wir alle drei Bereiche des biopsychosozialen Modells – unsere Biologie, Psychologie und sozialen Interaktionen – in die Behandlung von Erkrankungen und Beschwerden einfließen lassen? Durch eine großartige Struktur namens Vagusnerv. Das ist ein extrem wichtiger Nerv, der das Gehirn über Nacken, Brust, Herz und Lunge bis hin zum Darm mit den wichtigsten Körpersystemen verbindet. (…) Hinter vielen chronischen Gesundheitsproblemen – von Angstzuständen, Depressionen und Burn-out bis hin zu Reizdarmsyndrom, Autoimmunerkrankungen und chronischen Schmerzen – kann ein dysreguliertes Nervensystem stecken.
Den Vagusnerv zu beeinflussen, ist eine Fähigkeit, die sich erlernen lässt. Obwohl es dabei nicht um das Training eines Muskels, sondern das eines Nervs geht, bezeichnet man dieses Verfahren als »Erhöhung des Vagotonus«. Genauso wie wir unsere Muskeln durch Training und andere körperliche Aktivitäten stärken können, können wir auch die Funktion unseres Vagusnervs verbessern, indem wir unseren Vagotonus stärken. Das ist eine wichtige Voraussetzung für ein Reset unseres Nervensystems, denn unser Vagusnerv hilft uns, uns zu regulieren. Er ist der wichtigste Bestandteil unseres Nervensystems, der unser Tempo entweder beschleunigt oder verlangsamt. Das wiederum verbessert unseren Gesundheitszustand und versetzt uns in eine ruhigere, ausgeglichenere seelische Verfassung. Zu sagen, dass der Vagusnerv für uns eine enorm wichtige Rolle spielt, wäre noch untertrieben; deshalb werden wir in Teil 1 dieses Buches genauer auf die vielen verschiedenen Funktionen dieses Nervs eingehen. Vorläufig reicht es für dich jedoch zu wissen, dass er ein Tor zu emotionalem, seelischem und körperlichem Wohlbefinden ist.
Ich plädiere nicht dafür, das biomedizinische Modell über Bord zu werfen – ganz im Gegenteil. Ich halte es nach wie vor für wichtig, dass medizinische Experten und Expertinnen zunächst organische Probleme oder Erkrankungen ausschließen, bevor sie ein Ungleichgewicht des Nervensystems diagnostizieren.
Doch genauso wichtig ist es anzuerkennen, dass viele Beschwerden, für die es »keine medizinische Erklärung gibt«, auf eine stressbedingte Störung zurückzuführen sein könnten. Viel zu lange wurde die körperliche Manifestation seelischer Schmerzen und Traumata als unwichtig abgetan. Noch bis vor einiger Zeit hatten wir einfach nicht die richtigen Mittel, um genau zu verstehen, wie die Datenautobahn des Vagusnervs mehr oder weniger alles beeinflusst, was wir tun – einschließlich unserer Fähigkeit, ein angenehmes, kontaktfreudiges Leben zu führen. Inzwischen sind wir in dieser Hinsicht zum Glück schon ein bisschen weiter.
Ein Weg zu Gesundheit und Balance
Ich stelle immer wieder fest, dass ein besseres Verständnis unserer Biologie – vor allem des Vagusnervs – uns dabei hilft, unsere Gefühle aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Wenn es uns gelingt, diese wissenschaftlich fundiertere Perspektive in unser Leben einfließen zu lassen, können wir uns von den emotionalen Höhen und Tiefen befreien, die wir durchmachen, wenn wir in den Extremen unseres inneren Thermostats, den heißen oder kalten Zuständen, feststecken. Dann müssen wir keine Phasen in unserem Leben mehr ertragen, in denen wir uns überdreht oder gestresst fühlen und einfach nicht abschalten können. Und wir müssen auch keine Angst mehr davor haben, in einen Zustand der Apathie zu verfallen und wochen- oder gar monatelang antriebs- oder hoffnungslos vor uns hin zu vegetieren. Durch einen besseren Vagotonus werden wir resilienter und flexibler. Wir können mit den Strömungen des Lebens mitfließen, ohne ins Stocken zu geraten. Und auch unsere Selbstgespräche verändern sich – dann fragen wir uns nicht mehr: Was ist nur mit mir los? und Warum werde ich mit dieser Situation nicht fertig?, sondern sagen: Das ist zwar schwierig, aber ich werde es schon hinkriegen. Ich schaffe das.
Vielleicht bist du zurzeit noch nicht richtig auf die Signale deines Körpers eingestimmt; doch mit mehr Wissen und den richtigen Hilfsmitteln wird es dir mit der Zeit gelingen, sie richtig zu interpretieren. Dein Körper will genau das Gleiche wie du: Gesundheit, Sicherheit, Balance und Stabilität. In diesem Buch werde ich dir beibringen, die Sprache deines Körpers zu lernen, damit du mit ihm kommunizieren und eine Partnerschaft aufbauen kannst, von der du auf vielen verschiedenen Ebenen profitierst. Diese wechselseitige Kommunikation ist die Basis für jede erfolgreiche Arbeit am Nervensystem. Wir können dadurch unsere körperliche und geistige Gesundheit erheblich verbessern, Stress abbauen und unser allgemeines Wohlbefinden steigern. Ich habe diesen tiefgreifenden Prozess nicht nur bei anderen Menschen immer wieder beobachtet, sondern auch bei mir selbst erlebt.(…)
Viele Menschen leiden unter körperlichen und psychischen Erkrankungen, ohne dass sich eine eindeutige Ursache dafür finden ließe. Und gerade das ist paradoxerweise ein Zeichen dafür, dass unser Körper genau das tut, wofür er geschaffen wurde: Irgendetwas stimmt mit uns nicht, und darauf macht er uns aufmerksam. Vielleicht glaubst du, dass unser Umfeld der Faktor ist, bei dem wir als Erstes nach der Ursache für unsere Dysregulation suchen sollten, doch oft stimmt das nicht. Bei mir lag die Ursache jedenfalls woanders, und bei vielen meiner Patientinnen und Patienten auch.
Jedes Mal, wenn wir im Job ein weiteres Projekt übernehmen, obwohl wir sowieso schon überlastet sind und immer wieder unter Spannungskopfschmerzen leiden, stellen wir wahrscheinlich fest, dass wir damit über unsere natürlichen Grenzen hinausgehen und uns das an den Rand der Erschöpfung oder sogar des psychischen Zusammenbruchs bringt. So sind wir gezwungen, uns mit unseren Problemen auseinanderzusetzen. Doch statt zu erkennen, dass der ständige Druck am Arbeitsplatz ihre Gesundheit beeinflusst, sehen viele Menschen die Schuld eher bei sich selbst und sagen sich: Ich komme damit nicht so gut zurecht, wie ich sollte – oder den Klassiker: Das sollte ich doch eigentlich schaffen.
Gefühle wie Angst, Scham, Wut, Stress oder ein innerer Shutdown (Abschaltung) sind Frühwarnsignale – sie sind die Alarmglocken, die uns darauf aufmerksam machen, dass wir an unsere neurobiologischen Grenzen stoßen. Doch wenn wir die Sprache dieser Botschaften nicht beherrschen, verstehen wir nicht, was sie uns sagen wollen. Wir wissen nur, dass diese Gefühle uns unangenehm sind, also versuchen wir, sie so schnell wie möglich zu unterdrücken. Und je länger wir die Botschaften unseres Körpers ignorieren, umso schwieriger wird es für uns, sie zu hören. Doch auf sie zu hören und unsere Gemütszustände mithilfe dieser Informationen aktiv zu steuern, ist der erste Schritt auf unserem Weg zurück in einen regulierten Zustand.
Die Lösung besteht darin, zu lernen, wie man den inneren Thermostat, der durch chronischen, traumatischen Stress auf »zu kalt« oder »zu heiß« eingestellt wurde, wieder repariert und die Temperatur so reguliert, dass man angenehm darin leben kann. (…) Im Gegensatz zu anderen Maßnahmen zur Stress- und Traumabewältigung ist die Arbeit mit deinem Nervensystem eine Praxis, die du überall und jederzeit anwenden und immer weiter vervollkommnen kannst. (…) Wenn wir eine engere Beziehung zu unserem Körper aufbauen und uns erlauben, einfach mit dem Auf und Ab des Lebens mitzufließen, werden die Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen, leichter zu bewältigen, und wir werden resilienter. Unsere Aufgabe besteht darin, unsere inneren Narrative zu verstehen – vor allem, wenn es darin um Traumata aus der Vergangenheit geht – und mithilfe der richtigen Werkzeuge darauf zu reagieren.(…)
Jessica Maguire
„Das Vagusnerv-Reset-Programm“
416 S., Arkana Verlag, 20 €
Siehe auch unter „Wortwelten“ S. 57.
Textveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Arkana Verlages.
Autorin: Katrin Jonas
Wenn wir unseren Körper ins Verhältnis zur Dimension und Kraft unseres Lebensraums, der Natur oder sogar des ganzen Kosmos setzen, muss er uns wie eine Miniatur vorkommen. Und vor allem wird uns seine Zartheit bewusst. Der sensible Stoff, aus dem er gemacht ist, seine dünne Haut, seine weichen Organe, die tofuähnliche Hirnmasse und sein fühlendes Herz sind Ausdruck seiner Fragilität. Da er im Laufe der Evolution sogar sein beschützendes Fell abgelegt hat, ist er seiner Umgebung ausgelieferter, als es der Körper eines Lebewesens jemals zuvor war.
Darüber hinaus ist auch die menschliche Motorik begrenzt. Wir können nicht wie die Vögel davonfliegen oder wie die Wale, Delphine und Reptilien einfach abtauchen. Und mit unserer Fähigkeit zur Selbstverteidigung sieht es auch nicht rosiger aus. Wir haben keine scharfen Krallen, weder gefährliche Reißzähne noch Gift speiende Drüsen, die unsere Unversehrtheit sichern.
Wie es sich in der Evolution auch immer zugetragen hat: Der menschliche Organismus ist der feinste, der je geboren wurde. Und das bringt mit sich, dass er verwundbar ist und Schutz braucht.
Innerer und äußerer Selbstschutz:
Die Roadmap zu einem organischen Körperverständnis
Es ist kein Zufall, dass die Natur unseren Organismus mit so viel Zartheit ausgestattet hat. Das hängt damit zusammen, dass der Homo Sapiens in der Entwicklung ein paar Stufen auf einmal genommen hat und in ihm ein Bewusstsein wohnt. Dieses braucht offenbar eine durchlässigere Hülle als unsere dickfelligen Vorfahren, sodass es eingehüllt in die Schichten des Körpers wachsen und durch diese hindurchscheinen kann.
Doch damit unser Organismus dabei auch genug Schutz erfährt, ist der Natur ein Geniestreich geglückt: Sie hat in uns ein Sicherheitssystem installiert und die Funktionsweise des Zentralen Nervensystems so eingerichtet, dass es wie ein hochspezialisierter Bodyguard wirkt. Dieser filtert alle Gefahren im Außen heraus und entwirft daraufhin die exakt passende Sicherheitsstrategie. Die damit verbundenen Reaktionen, wie der Stress- oder der Traumareflex, bilden unseren somatischen Survivalguide und helfen uns, in Gefahren- und Stresssituationen bestmöglich behütet zu sein.
Doch so hilfreich diese Schutzreflexe in Stress- oder Gefahrensituationen für uns sind, so viele Probleme können sie bereiten, wenn sie bleiben. Wie Neuro- und Traumaforscher herausstellen, ziehen sie sich nämlich nicht immer automatisch zurück, wenn die Gefahr verebbt ist. Sie hinterlassen Spuren und führen zu Ungleichgewichten im Organismus, die nicht nur sein natürliches Funktionieren hemmen, sondern die Ursache von vielen gesundheitlichen und für unsere Zeit typischen Symptome sind. Also hat dieser gutgemeinte Selbstschutz auch eine Kehrseite. Und deshalb ist es wichtig, dass wir den Ist-Zustand unserer inneren Schutzmechanismen kennen und aktualisieren – und gleichzeitig unseren äußeren Selbstschutz im Blick behalten.
Wenn wir diese beiden Aspekte, den inneren und den äußeren Selbstschutz, verstehen und leben, übernehmen wir einen großen Teil der Bodyguard-Leistungen sogar selbst. Und das kommt unserer Gesundheit immens zugute:
In diesem Buch entblättere ich, welches somatische Wissen wir beim Umgang mit Stress- und Traumareflexen benötigen und woran wir uns dabei orientieren können. Gehen wir’s an!
Das innere Bodyguardsystem des Körpers und sein Wirken
Den inneren Selbstschutz als Survivalguide des Organismus verstehen
Wann immer ich mir die Dienstleistungen unseres inneren Selbstschutzsystems etwas genauer ansehe, beginne ich sofort, den menschlichen Körper zu bewundern. Mich erfasst eine Ehrfurcht davor, mit welcher Weisheit die Natur uns Menschen erschaffen hat.
Erstmalig kam ich mit dem Thema des inneren Selbstschutzes in den neunziger Jahren in Kontakt, als ich meine Ausbildung zur Feldenkraislehrerin absolvierte. Bis dahin hatte ich von Schutzreflexen, die sich in unserem Organismus einnisten können, noch nie etwas gehört, obwohl ich damals mein berufliches Zuhause bereits auf dem Gebiet der Körper-Mind-Intregration und des Körperbewusstseins gefunden hatte. Ich erfuhr, dass der Physiker Dr. Moshe Feldenkrais bereits Jahrzehnte zuvor auf solche Schutzmechanismen in seiner praktischen Arbeit mit der Feldenkraismethode eingegangen war. Danach verschlang ich die Bücher des kanadischen Arztes Dr. Thomas Hanna, der Begründer von Hanna Somatics, in denen er die Konsequenzen der Schutzreflexe für das neuromuskuläre System und die Sensomotorik beschrieb. Und ich werde die vielen Aha- Momente nicht vergessen, als ich dieses Verständnis sowohl in meinem eigenen Körper als auch später im Zuge meiner therapeutisch-coachenden Arbeit bei anderen Menschen wiederfand.
Gleichzeitig sah ich damals, dass dieses Wissen über die Selbstschutzmechanismen in der Medizin- und Therapielandschaft damals so gut wie keine Rolle spielte. Weil es sich nur bis in ein paar alternative Nischen vorgearbeitet hatte und somit Insiderwissen blieb, wurde es so vielen Menschen mit gesundheitlichen, emotionalen und seelischen Problemen vorenthalten. Diese steckten in Therapiekreisläufen fest, schluckten unnötigerweise Medikamente, unterzogen sich überflüssigen Operationen und verpassten so ihre Chance auf ein gesundes Leben. Der symptomorientierte Ansatz in Therapie und Heilung war so übermächtig, dass es in diesem keine Schlupfwinkel für die Beobachtungen der Somatiker und Body-Mind-Mediziner zu den Schutzmechanismen gab.
Die somatische Forschung und inneres Lernen
Doch glücklicherweise ist das Thema des Selbstschutzes in den letzten fünfundzwanzig Jahren nahezu revolutioniert worden. Immer wieder bahnten sich mutige, kluge Visionäre und Pioniere den Weg in die Öffentlichkeit, die durch ihre medizinische, heilende oder wissenschaftliche Arbeit neue Wege aufzeigten. Wissenschaftler, Hirnforscher, Mediziner und Fachautoren brachten das verborgene Wissen über das natürliche Funktionieren des menschlichen Organismus nachdrücklicher in die öffentliche Diskussion, so dass es immer mehr Menschen zugänglich wurde. Und weil das seit einigen Jahren auch die Neurowissenschaft mit bildgebenden Verfahren in Bezug auf die Beeinflussbarkeit der Hirnfunktionen unterstützt, verfügen wir heute über ein viel größeres Verständnis davon, wie unser Organismus sich in Stress- und Gefahrensituation organisiert und welche gesundheitlichen Konsequenzen das für uns hat. (…)
Mich fasziniert die Aussicht, dass wir Menschen mit unserer Innenwelt im Einklang leben können, wenn wir ihr nur mit einem Funken Bewusstsein begegnen. Und so begrüße ich alles, was den modernen Menschen sich selbst besser fühlen und verstehen lässt, ihm beim Bewältigen der täglichen Herausforderungen und im Umgang mit körperlichen Beschwerden und emotionalen Unstimmigkeiten hilft. In Sachen Selbstschutzreflexe möchte ich, dass so viele Menschen wie möglich ihren eigenen Organismus begreifen lernen, sich im Umgang mit ihm sicher fühlen und „somatisch selbstkompetent“ werden, wie ich gern sage.
Tatsächlich ist eine neue Ära angebrochen, eine, in der wir Menschen mit unserem Nervensystem, welches unseren Organismus instruiert, eine nie dagewesene Intimität erleben dürfen und den Zugang zu einem neuen Körperverständnis finden. Und genau das ist ja auch nötig! Wenn wir in dieser unruhigen, bebenden Welt seelisch und körperlich gesund bleiben wollen, muss unser Organismus in der Lage sein, ziemlich viele Herausforderungen zu meistern. Indem abertausende Impulse täglich auf ihn einstürmen, muss er diese ja auch verdauen und ausbalancieren können.
Darüber hinaus steht der Mensch wie auf unsicherem Boden, weil sich persönliche und gesellschaftliche Gefüge verschieben, als sicher Geglaubtes sich auflöst und Wertigkeiten neu definiert werden müssen. Und dabei nimmt der allgemeine Stressfaktor zu.
Deutlich wird: Wir haben uns tatsächlich um uns selbst zu kümmern, wenn wir heil sein und gesund bleiben wollen, und das schließt den Umgang mit dem Thema des inneren und äußeren Selbstschutzes ein. Weil die Beschäftigung mit dem Thema Selbstschutz dennoch für viele Menschen immer noch so etwas wie das Betreten von Neuland darstellt und der Bedarf nach real umsetzbaren Schritten und Maßnahmen groß ist, stelle ich hier meine beruflichen Erfahrungen aus über 25 Jahren somatischer Praxis zur Verfügung und wünsche mir, dass die Inhalte dieses Buches zu einer wertvollen Gesundheitsressource für so viele Menschen wie möglich werden.
Katrin Jonas
„Der innere Bodyguard“
176 S., Innenwelt Vlg., 20 €
Siehe auch unter „Wortwelten“ S. 56.
Textauszug mit freundlicher Genehmigung des Innenwelt Verlages.
Autorin: Beata Korfe
Eine provokative Frage vielleicht – vor allem wenn jemand schon lange an Schmerzen leidet und starke Einschränkungen der Lebensqualität und Lebensfreude erlebt. Dennoch halte ich – und die Praxis
scheint dies vielerseits zu bestätigen – die Schöpfung unseres wunderbaren Körpers für eine hoch intelligente. Eine Schöpfung mit umfangreichem Zusammenspiel vieler Strukturen und
Kreisläufe, in der nichts umsonst geschieht. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass uns unser Körper grundsätzlich wohlgesonnen ist. D.h. wenn er uns einen Schmerz schickt, dann um uns auf etwas
hinzuweisen, was unserer Aufmerksamkeit bedarf.
Für ein Gelenk bedeutet dies konkret, dass die Umstände im oder um das Gelenk aufgrund unseres bisherigen Verhaltens (von Bewegung über Ernährung bis zu Glaubensmustern) so sind, dass dort Gefahr
von Erkrankung oder Schädigung vorliegt. Viele Menschen mit Arthrose glauben z. B., dass der Schmerz aus dem verletzten Knorpel käme. Dies ist jedoch nicht der Fall, da Knorpel gar keine Nerven
hat, die dem Gehirn entsprechende Signale senden könnten. Die Reize für Schmerzentwicklung, müssen also aus dem Umfeld des Gelenkes kommen – entweder aus dem Bänder-Sehnen-Faszien-Bereich oder
von der Knochenhaut. Liegen um den Gelenkspalt herum zu hohe Spannungen durch verkürzte und unelastische Gewebestrukturen vor, entsteht ein zu hoher Druck im Gelenk, durch den Reibung auf den
Knorpel entsteht.
Bei jeder Maschine wäre uns klar, dass z. B. zu eng eingestellte Lager zu vorzeitigem Materialverschleiß führt und das Lager oder Gelenk im Idealfall immer gut geschmiert ist. Unsere Körperintelligenz weiß um diese Umstände und sendet uns Schmerz, wenn wir durch unser ganzheitliches Verhalten Risikoentwicklung bewirkt haben, damit wir die Situation wieder verbessern. Und eine Verbesserung ist über sehr lange Zeit möglich. Knorpel baut sich wieder auf, wenn ihm dafür so Raum geschaffen wird, dass der neu entstandene Knorpel nicht immer gleich wieder abgerieben wird. Zum Aufbau braucht er Nährstoffe und muss Stoffwechselendprodukte ausscheiden können. Hierfür ist die Gelenkflüssigkeit zuständig, die gleichzeitig auch ein Polster zwischen den Gelenkanteilen bildet. Der Knorpel funktioniert – wie die Bandscheiben auch – wie ein Schwamm. Im Idealfall befindet sich dieser Schwamm in einer mit Nährstoffen angereicherten Flüssigkeit, die er aufsaugen kann, wenn er entspannt, und in die er Stoffwechsel-Endprodukte abgeben kann, wenn er zusammen gedrückt wird. Dies geschieht bei Bewegung des Gelenkes, die gleichzeitig die Bildung der Gelenkflüssigkeit anregt. So kann sich der sogenannte „Anlaufschmerz“ nach längerer Bewegung lösen.
Ich weiß, in manchen Ohren mag dies eine ganz neue Information sein, und mit dem bisherigen Erwartungsbild kollidieren. Tatsächlich ist es jedoch in Studien nachgewiesen, dass Knorpel nachwächst, wenn man ihn nur lässt. Ich selber bin dabei ein gutes Beispiel: Ende der 90er Jahre hatte ich ununterbrochen Schmerzen in mindestens einem der großen unteren Gelenke, meistens in mehreren (beide Hüften und Knie waren betroffen). Auch wenn er zwischendurch weniger intensiv war, war er immer da, weckte mich nachts oft auf, und nicht immer fand sich eine Position, in der ich gleich wieder einschlafen konnte. Damals kannte ich noch gar nicht all die tollen Übungen und Punkte, die ich heute kenne. Dennoch gelang es innerhalb eines halben Jahres mit Hilfe von Affirmationen, Taiji (Taichi) und Fahrrad fahren fast schmerzfrei und innerhalb eines Jahres völlig schmerzfrei zu werden und bis heute zu bleiben. Auch die Röntgenbilder zeigen heute keinerlei krankhafte Veränderung mehr an irgendeinem meiner Gelenke.
Mit den richtigen Übungen werden oft noch sehr viel schneller als bei mir damals Verbesserungen erreicht. Natürlich kann niemand irgendetwas garantieren. Ich meine jedoch, dass es sich wirklich lohnt, aufzubrechen zu neuen Ideen und sich selbst die Chance zu geben, es auszuprobieren. Sie können sich ein gutes Selbsthilfebuch, das sowohl Mobilitätstraining kombiniert mit Kräftigungsübungen, als auch Faszienarbeit und vielleicht auch Pressurpunkte vorstellt, besorgen. Hauptfokus liegt auf Mobilität nicht auf Kraft, denn sonst würde man ja noch mehr Spannung in die Strukturen um das Gelenk bringen.
Ich persönlich kombiniere diese Übungen auch gerne mit ggf. individuell zusammen gestellten Affirmationen und vielleicht auch Visualisationen von gesundem Gelenk. Sie können Kurse besuchen, in denen Sie Übungen etc. in der Gruppe erlernen und eventuell einen Austausch mit Gleichgesinnten finden können. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Gelenke erholen, wenn gut für sie gesorgt wird, ist sehr groß und es lohnt sich immer, meine ich, es anzugehen, und über einen längeren Zeitraum konsequent dran zu bleiben.
Bei Rückenbeschwerden sind übrigens auch sehr oft Mobilitätsübungen wichtiger als Kraftübungen. Auch eine im Verhältnis zur Rückenmuskulatur zu stark oder zu schwach ausgeprägte Bauchmuskulatur kann das feine Zusammenspiel der Muskeln durcheinander bringen und Schmerzen verursachen. Bei diesem Zusammenspiel geht es nicht nur um einen aktiven Muskel, der sich anspannt, und einen Gegenspieler der nachgibt. Dieses sehr vereinfachte Modell wird zwar häufig genutzt, entspricht jedoch nicht der Realität. Der Gegenspieler spielt in der Aktion ebenso mit wie so manch andere umliegende Muskeln. Sie können sich das vorstellen wie beim Maibaumsetzen oder dem Tipiaufbau. Einen langen Stab mit Hilfe von an der Spitze befindlichen Seilen senkrecht aufzurichten und dort zu fixieren, funktioniert nur mit Zug aus mehreren Richtungen.
Wenn Sie mit Fasziengeräten arbeiten, hier ein paar Tipps: a) Langfristig nicht öfter als 3 x die Woche denselben Körperbereich bearbeiten, da sonst der Stoffwechsel in diesem Bereich zu sehr angefeuert würde – wie ich auf einer Faszienschulung lernen durfte. b) Möglichst langsam und immer zur Körpermitte hin rollen, also mit der Fließrichtung der Lymphflüssigkeit. c) Am Rücken Geräte so platzieren, dass die Wirbelsäule druckfrei bleibt. Es gibt Rollen mit einer Rinne in der Mitte oder Doppelbälle, die sich sehr gut für die Rollmassage neben der Wirbelsäule eignen.
Von Herzen wünsche ich Ihnen optimalen Erfolg dabei, Ihre Lebensqualität durch eigenes Handeln zu erhalten oder zu erhöhen.
KraftDesign, Beata Korfe, www.kraftdesign.org, info@kraftdesign.org, 01517 / 50 44 038
Autorin: Barbara Simonsohn
Eine Schmerzpflanze, die zu Unrecht in Vergessenheit geraten ist
Vielleicht ist Ihnen im Sommer eine hoch gewachsene cremeweiß blühende Wiesenpflanze aufgefallen, eine echte Schönheit, welche alle Wiesenpflanzen überragt. Bei den Kelten galt Mädesüß neben
Eisenkraut und Wasserminze als eine der drei heiligsten Pflanzen. Die Druiden, die Schamanen der Kelten, verehrten die Pflanze und nutzten sie zur Heilung (vgl. „Hagers Handbuch der Drogen und
Arzneistoffe“, Springer-Verlag, Heidelberg 2013).
Das Echte Mädesüß oder Filipendula ulmaria L. wurde bei den Germanen zum Aromatisieren von Met verwendet, daher kommt wahrscheinlich sein Name, der sich von „Metsüße“ abgeleitet haben kann. Mädesüß wächst gern auf Wiesen, wenn diese feucht genug sind. Im Deutschen wird die Heilpflanze daher auch „Wiesenkönigin“ genannt.
Die Pflanze enthält Salicylaldehyd, was in der Leber in die fiebersenkende, entzündungshemmende und schmerzstillende Salicylsäure umgewandelt wird. Noch heute wird das Echte Mädesüß gegen Schmerzen und Fieber eingesetzt. Aus den Blütenknospen wurde früher Salicyaldehyd gewonnen. Spiraea ulmaria ist der alte lateinische Name, und damit stand die Pflanze Pate für Aspirin, was „A spiraea“ heißt, „aus der Spierstaude stammend.“ Längst wird Aspirin synthetisch hergestellt.
Verbreitung
Echtes Mädesüß wächst vor allem in Nordeuropa und Ostasien, in der nördlichen gemäßigten Zone, aber auch in Italien, Frankreich und Spanien. In Nordamerika gibt es nur kleine Bestände durch Einschleppung. Die Pflanze ist sehr gesellig und bevorzugt feuchte Wiesen, Bach- und Flussufer, Sümpfe und Auen.
Die Pflanze
Der Echte Mädesüß gehört zu den mehrjährigen Rosengewächsen und wächst bis zu zwei Meter hoch. Die Stängel sind kantig, oben verästelt und rötlich. Daraus ersprießen zahlreiche wechselständige gefiederte Blätter. Die gelblich-weißen beziehungsweise cremeweißen Mädesüßblüten sind einzeln unscheinbar. Sie bestehen aus fünf kleinen Blütenblättern, sechs bis neun Zentimeter im Durchmesser, die in zahlreichen Trugdolden angeordnet sind. Die langen Staubblätter ragen auffallend weit aus ihnen hinaus und vermitteln so ein weiches, flauschiges Aussehen. Der Duft der Blüten ist einzigartig mandel-artig süß. Die Blütezeit ist von Mai bis August.
Inhaltsstoffe und Wirkweise
Echtes Mädesüß wird arzneilich fast ausschließlich als Tee verwendet, und zwar entweder nur die Blüten, oder das Kraut oder der obere Teil der Staude, oder beides. Während der Blüte ist Erntezeit, und da Mädesüß nicht angebaut werden kann, gibt es den Tee nur aus Wildsammlung. Innerlich angewendet wirkt der Tee harn- und schweißtreibend, schmerzstillend, fiebersenkend, antirheumatisch und entzündungshemmend. Die Blüten enthalten das ätherische Öl mit den wichtigen Bestandteilen Salicylaldehyd und Salicylmethylester in noch höherer Konzentration als das Kraut. Außerdem finden sich in der Pflanze Flavonoide wie Spiraesoid, Rutin, Hyperosid und weitere Quercetinverbindungen und als Gerbstoffe Ellagitannine und Gallotannine.
Den Tee lässt man bis zu zehn Minuten ziehen und trinkt ihn schluckweise. Nebenwirkungen sind keine bekannt, ebenfalls keine Wechselwirkungen. Die Kommission E, das Expertengremium zum Thema Pflanzenheilkunde des deutschen Gesundheitsministeriums, empfiehlt bei Fieber, einen Tee aus ein bis zwei Teelöffel Mädesüssblüten zu trinken. Die EFSA – Europäische Kommission für Lebensmittelsicherheit - erlaubt die Gesundheitsaussagen „trägt zur Gesunderhaltung der Gelenke bei“ und „unterstützt die Beweglichkeit der Gelenke“ und betont die verbesserte Wasserausscheidung über die Nieren durch Mädesüß.
Wie sind die vielfältigen Wirkungen von Mädesüß zu erklären?
1838 gewann der Schweizer Apotheker Johann Pagenstecher erstmals aus dem Mädesüß Salicylaldehyd, den Vorläufer der Salicylsäure. Salicylaldehyd wird in der Leber zu Salicylsäure umgewandelt. Die Salicyläsure hemmt die Bildung von entzündungsfördernden Prostaglandinen und wirkt zusammen mit weiteren Flavonoiden fiebersenkend und entzündungshemmend. Die Inhaltsstoffe von Mädesüß, allen voran Salicylaldehyd, dämpfen das sympathische Wärmeregulationszentrum, so dass die Temperatur bei Fieber relativ schnell absinken kann, erweitern die Blutgefäße in der Peripherie und regen die Schweißproduktion an. Außerdem wirkt Salicylsäure desinfizierend und antiseptisch und verhindert Ödembildung. Damit wirkt Mädesüß auch als Venenschutz zur Vorbeugung einer chronisch venösen Insuffizienz.
Salicylaldehyd und Salicylmethylsäureester, ein weiteres Salizylat-Derivat, haben entzündungshemmende Eigenschaften und sind daher für die äußere Anwendung bei Akne geeignet. Zusammen mit Flavonoiden wirken Salizylat-Derivate antibakteriell, so dass die Vermehrung der Akne verursachenden Bakterien unterbunden wird. Sie lösen sanft die Hornhaut auf, die sich oft bei Akne an den Ausführungsgängen bildet, und der Talg kann wieder ungehindert auf die Hautoberfläche fließen. Man stellt einfach einen Sud aus drei Teelöffeln Mädesüßblüten-Tee auf einem halben Liter Wasser her, den man eine halbe Stunde zugedeckt köcheln lässt. Man tunkt eine Kompresse in den Sud, drückt sie aus und legt sie auf die Haut zum Einwirken.
Die Ellagitannine in Mädesüß gehören zu den Gerbstoffen und haben eine adstringierende Wirkung. Dadurch wird die Reizbarkeit der Zellen vermindert und gleichzeitig ihre Widerstandsfähigkeit gesteigert. Bei Wunden und entzündeten Schleimhäuten wirken die Gerbstoffe durch Adstrinktion entzündungshemmend und schmerzstillend. Das Eindringen von Erregern in die Schleimhäute oder tiefer liegende Wundschichten wird erschwert oder verhindert, und die Wiederaufnahme von giftigen Zerfallsprodukten wird gehemmt. Ellagitannine wirken lokalanästhetisch und binden als kraftvolle Antioxidantien freie Radikale.
Die wasserlöslichen Polysaccharide aktivieren das Komplementsystem des menschlichen Organismus, ein wichtiger Teil unseres Immunsystems. Das Komplementsystem moduliert Entzündungsprozesse und aktiviert Leukozyten oder weiße Blutkörperchen als wichtigen Teil der Immunabwehr. Das Heparin in Mädesüß, ein Polysaccharid, hält das Blut dünnflüssig und optimiert die Blutgerinnung. Durch die Verhinderung der Bildung von Blutgerinnseln wird die Bildung von Thrombosen verhindert. Thrombosen in den Arterien sind häufig die Ursache für Herzinfarkte und Schlaganfälle.
Seit Aspirin preiswert synthetisch hergestellt wird, ist Mädesüß als vielseitige und potente Heilpflanze leider in Vergessenheit geraten. Mehr als fünfzig wissenschaftliche Studien bestätigen die antientzündliche, magenschützende, antioxidative, herzstärkende, schmerzlindernde, krebshemmende, pilzhemmende und antibakterielle Wirkung der Pflanze und seine günstige Wirkung auf das Mikrobiom. Echtes Mädesüß hemmt die Bildung von Geschwüren und verbessert die Beweglichkeit von Gelenken. Für viele unserer aktuellen Gesundheitsprobleme scheint dieses Kraut gewachsen zu sein. Angesichts der langen Geschichte als Heilpflanze und die Bestätigung der Heilwirkungen durch zahlreiche wissenschaftliche Studien steht in meinen Augen einer Renaissance dieser wunderschönen Wiesenkönigin als Gesundheitsprophylaxe und Pflanzenmedizin nichts mehr im Wege.
Bezugsquellen
Fertigpräparate aus Echtem Mädesüß sind leider fast komplett vom Markt verschwunden.
Die Firma Ceres www.ceresheilmittel.de führt die Filipendula ulmaria -Urtinktur als homöopathisches Einzelmittel (soll das Sonnengeflecht und den Pankreas stimulieren).
Der Mädesüßblüten Dr. Pandalis Bio Tee ist der einzige in Apotheken erhältliche Mädesüßblütentee in Bioqualität.
Mädesüß ist neben Stechendem Mäusedorn und Echtem Steinklee im Venenmittel „Veneo 093“ von Dr. Pandalis enthalten, www.pandalis.de
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