Warum wir nicht (mehr) bei Facebook sind mit unseren Seiten

von Ulrike Plaggenborg

 

Neulich sah ich eine Buchvorstellung: „Zehn Gründe warum du deine Social Media Accounts sofort löschen musst“ von Jaron Lanier. Trotz des offensiven Aufforderungscharakters sprang mich der Titel sofort an, weil ich seit geraumer Zeit schon massiv genervt war von Facebook. Das Buch war eine Offenbarung! Jaron Lanier ist nun nicht irgendwer sondern ein Internetpionier der ersten Stunde und zählt laut Wikipedia zu den 300 wichtigsten Erfindern der Geschichte. In seinem Buch beschreibt er haargenau das was ich selbst erlebt hatte und was mir zunehmend unangenehm wurde.

 

Meine eigenen Erfahrungen mit Facebook

 

Ich hatte vor vielen Jahren schon mal einen Versuch gemacht mit Facebook, mich dann aber wieder abgemeldet, weil ich zuerst nichts damit anzufangen wusste. Ein paar Jahre später habe ich mich dann beruflich wieder angemeldet, und weil das nur über den privaten Account geht, eben auch privat. Zu Beginn fand ich es ganz spannend: so viele interessante Dinge, die mir einfach so auf den Rechner flatterten ohne dass ich dafür was tun musste! Nach spätestens einem Jahr jedoch begann sich alles zu wiederholen: das zigste Katzenvideo, der hundertste Spruch usw. usw.. Ich verfing mich zunehmend in der Filterblase, d.h. ich bekam immer nur noch das zu sehen, was ich geliked hatte, von Leuten, mit denen ich ohnehin einer Meinung war – die Vielfalt war dahin. Dazu kam, dass Facebook in der Zwischenzeit an der Schraube gedreht hatte, die da heißt: Personalisieren bis zum Anschlag.

 

Ich habe Facebook immer nur als Informationsmedium betrachtet, weniger als Kontaktbörse. Wobei es teilweise sehr nett war, auf so unverfängliche Art mit Menschen „in Kontakt“ zu sein, die ich lange nicht gesehen hatte oder die weit weg wohnen. Nur das „in Kontakt“ sein stimmt eben nicht. Und das ist auch das, was mich dann immer mehr nervte: es war wie wenn man pausenlos im Fernsehen rumzappt. Der Newsfeed mit seinem unendlichen Strom an Info-Häppchen, alles nur Schnipsel, alles nur klitzekleine Ausschnitte aus einem immer unübersichtlicher werdenden Ganzen – das macht mich wahnsinnig!! Es hinterlässt ein schales Gefühl, eine unangenehme Leere, ein Unbefriedigtsein, einfach ungut. Dazu ist es ein ungeheurer Zeitfresser.

 

Social Media sind ein starkes Suchtmittel

 

Zugleich ist es natürlich DAS Suchtmittel Nr. 1. Schon nach relativ kurzer Zeit hatte ich das Gefühl: wenn ich jetzt nicht nachschaue, was es Neues gibt, dann verpasse ich was. Oder wie es eine Freundin formulierte: „Es fühlt sich an wie: ich bin abgeschnitten von der Welt“, wenn ich nicht reinschaue. Tatsächlich ist es aber genau andersherum: durch dieses ständige Raus-Schauen bin ich ja zunehmend abgeschnitten von mir selbst. Dazu gibt es auch ein neues Buch „#fomo – Fear of Missing Out, Die Angst etwas zu verpassen“ von Manfred Poser – siehe auch unter „Wortwelten“.

 

Ein weiterer Punkt ist die Sucht nach Anerkennung. Wenn man so wie ich, auch öfter mal selber was gepostet hatte, dann war es natürlich wichtig, wie die anderen darauf reagieren. Ich freute mich wenn es gefiel oder fand mich wichtig, weil ich auf „sowas Wichtiges“ hingewiesen hatte. Da ich ja ein kritischer Mensch bin, wurden es auch öfter mal kritische Beiträge. Damit umzugehen ist eine Erfahrung für sich, weil auf Facebook selbst in Kreisen, die sich für bewusst halten, jede/r seinen Mist raushaut, egal wie. Der Ton ist zuweilen haarsträubend, sodass ich mich nach kurzer Zeit entschieden habe, nichts mehr in der Richtung zu posten, weil mir das zu blöd wurde mit all der negativen Energie. Es findet eben kein wirklicher Austausch statt. Und dann stellte ich fest, dass ich, wenn ich selbst mal irgendeinen Beitrag kommentierte, anfing, mich sehr genau zu kontrollieren, was ich da schreibe, damit mir das auf keinen Fall um die Ohren fliegt.

 

Social Media lebt von Negativität

 

Jaron Lanier macht deutlich, dass die Algorithmen so programmiert sind, dass es nur um Aufmerksamkeit geht, also um Likes oder dass Beiträge geteilt werden. Das ist für die Kunden wichtig, die Anzeigen schalten, denn das ist ja das Geschäftsmodell (das gilt sowohl für Facebook wie auch für Google). Negative Beiträge finden jedoch weitaus mehr Beachtung als positive und daher entwickelt sich das Ganze in eine Spirale der Negativität, also nach unten. Daraus erklärt sich auch dieser ganze Hass, der die sozialen Medien zu dominieren scheint. Wir würden alle zu A…löchern, meint er, selbst Menschen, die sich für aufgeklärt halten würden sich in einer Art und Weise auslassen über Dinge oder Menschen, dass man es nicht glauben könne. Und warum machen sie das? Weil es Aufmerksamkeit erzeugt.

 

Bekannt ist, dass sich Mark Zuckerberg nach Trumps Wahl bei ihm persönlich bedankt hat für die ausgezeichnete Facebook-Kampagne. Trump hat dafür 44 Mill. Dollar ausgegeben, Hillary Clinton „nur“ 28 Mill.. So verdanken wir diesen verrückten Präsidenten wohl u.a. Facebook. Und die AfD hat auf Facebook die meisten Stimmen, wenn man das mal nach Parteien anschaut. Das ist ein Umfeld, in dem ich mich absolut unwohl fühle. Fake News Produzenten sind mir ein Gräuel. Unter Facebooks Anzeigen-Kunden sind halt auch Kunden, die ein handfestes Interesse daran haben, bestimmte Gesellschaften zu destabilisieren.

 

Und so ziehen sich die Netze immer dichter zusammen, jede/r sitzt in seiner/ihrer eigenen Filterblase fest und weiß überhaupt nicht mehr, was der andere Mensch denkt. Man isoliert sich letztendlich also eigentlich. Die Folge der ausufernden Personalisierung ist halt, dass die Vielfalt stirbt. In den USA gibt es z.B. schon fast keinen investigativen Journalismus mehr, weil alle nur nach den Klicks schielen. Da wird für meine Begriffe zuviel geopfert, und wofür? 

 

Lanier empfiehlt, sich abzumelden bzw. die Accounts zu löschen (abmelden reicht nicht, man ist dann immer noch im System drin), weil nur dadurch die kreativen Köpfe im Silicon Valley oder anderswo einen Impuls bekommen, etwa Neues zu schaffen. Und ein anderes Social Media wäre sicher nicht mehr komplett kostenlos, was unbedingt zu empfehlen ist. Meine Idee ist ja schon lange, dass man einen geringfügigen monatlichen Beitrag zahlen müsste an Facebook, damit Werbung überflüssig würde. Und wenn es nicht mehr darum geht, dass Anzeigen verkauft werden, dann haben ALLE Inhalte mehr Chancen und es müsste auch nicht mehr gefiltert werden.

 

Natürlich kann man sich in seiner eigenen Filterblase wohl fühlen und viele bauen sich ja auch so kleine „Nester“, in denen ein angenehmerer Ton herrscht.  Dagegen ist ja auch nichts einzuwenden, es ändert nur rein gar nichts am grundlegenden, strukturellen Problem des Geschäftsmodells, das da heißt: du bist nicht der Kunde der großen Internetunternehmen, sondern ihr Produkt, und zwar ein fremdbestimmtes Produkt, das gar nicht merkt, wie fremdgesteuert es ist.

 

Warum unsere Seiten nicht mehr auf Facebook sind

 

Eine Geschäftsseite auf Facebook zu haben macht nur Sinn, wenn sie eine gewisse Reichweite hat, sprich, die Beiträge genügend Leute erreichen. Da hat Facebook auch an Schrauben gedreht und seitdem haben wir Reichweiten, die den Zeitaufwand nicht mehr rechtfertigen, den es bedeutet, sinnvollen Inhalt zu generieren. Denn das war unser Anspruch: wir wollten halt nicht nur Werbung machen für unsere Produkte (Bücher), mal abgesehen davon, dass das dann sowieso keine/r angeguckt hat. Reichweiten, die sich lohnen, sind jetzt nur noch käuflich zu erwerben. Facebook will, dass wir für Klicks bezahlen (wie Google auch, nur dass es bei Google noch genügend Stellschrauben gibt, auch kostenlos noch relativ weit oben zu landen in den Suchergebnissen; auf Google können wir deshalb leider auch nicht verzichten, um nicht komplett unsichtbar zu werden…). Dafür fehlt uns das Geld und wir sehen es auch nicht ein. Facebook hat derzeit 2 Milliarden aktive Nutzer monatlich (Wikipedia, Stand Juli 2018), wenn die alle 1 Dollar monatlich zahlen würden… nun ja…

 

Wir würden uns ein echtes Soziales Netzwerk wünschen, das die Menschen wirklich zusammenbringt und nicht auseinander dividiert. Eine Plattform, auf der ein Umgangston gepflegt wird, der einen aufbaut und nicht runterzieht. Ein offenes Netz, in dem viele verschiedene Meinungen möglich sind, weil man respektvoll miteinander umgeht. Ein Netz, das für die Zukunft gewebt wird, das inspiriert und erfreut. Bis es soweit ist sammeln wir Inspirierendes, auch Kritisches, Schönes, Lustiges auf unseren Internetseiten www.buchhandlung-plaggenborg.de und www.achtsames-leben.org (im Blog) oder in meinem Blog www.fenster-zur-zukunft.org . Und warten darauf, dass die Kreativen im Techie-Business den Faden aufnehmen und was Neues basteln. 

 

Bis dahin kann man ja auch mal wieder „richtig“ lesen, nicht nur Schnipsel. Was ich so lese:

Zeitungen: NWZ täglich, Süddeutsche Zeitung am Wochenende; Zeitschriften: im Abo: evolve, moment by moment, enorm, SEIN Magazin; BUND Magazin, KGS HH, LebensArt Hannover, Spirit Live. Diese Magazine nehme ich mit, wenn ich sie beim Einkaufen finde: BIORAMA, Schrot & Korn, KGS HB, Wegweiser. Gelegentlich kaufe ich die Buddhismus aktuell, info3 und die National Geographic. Online: ursache wirkung, newslichter und seit neuestem den SZ-Podcast.

Daneben bekomme ich jede Menge Newsletter von zukunftsweisenden Bloggern und Organisationen, an deren Aktionen ich mich online fast immer beteilige.

Ach ja, und es gibt ja auch andere Suchmaschinen als Google, z.B. https://www.ecosia.org, die pflanzen für jeden Klick Bäume.

 

Dies ist das Buch: Jaron Lanier: „Zehn Gründe, warum du deine Social Media Accounts sofort löschen musst“, Hoffmann und Campe, 2018. Und „#fomo – Fear of Missing Out, Die Angst etwas zu verpassen“ von Manfred Poser – erhältlich u.a. über uns (www.buchhandlung-plaggenborg.de ), versteht sich…. 

 

Lesen Sie dazu bitte auch den Beitrag von Peter Gerd Jaruschewski: Facebook - eine Datenkrake, auf Seite 11.

 

- Abmelden von Facebook, Whatsapp und Instagram (gehören alle Facebook): Raus aus Facebook   - etwas Runterscrollen zum Beitrag in der Mitte

 

- Und von Axel Hacke aus dem SZ-Magazin: Das Beste aus aller Welt: Raus aus der Handy-Falle

 

- Neues Patent erlaubt Facebook die Analyse ganzer Haushalte: http://flip.it/5eYKEK

 

https://www.futurezone.de/digital-life/article213906189/Das-sind-die-Daten-die-Facebook-ueber-dich-sammelt.html